Der Aufsichtsrat
Kürzere Amtsperioden?

Kürzere Amtsperioden?

Dr. Arno Mahlert

Dr. Arno Mahlert
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Der neue Entwurf zum Deutschen Corporate Governance Kodex sieht vor, dass die Aufsichtsratsmitglieder der Anteilseignerseite für nicht mehr als drei Jahre (laut Gesetz maximal fünf) bestellt werden sollen, um der internationalen Best Practice zu entsprechen. Inwieweit dient diese Empfehlung dem Ziel einer guten und verantwortungsvollen Unternehmensführung? Lediglich der Hinweis auf internationale Best Practice ist kein durchschlagendes Argument.

Zu den Schlüsselaufgaben des Aufsichtsrats gehören die Entscheidungen über die Verantwortungsträger im Vorstand sowie über den Vorschlag für die Besetzung des Aufsichtsrats an die Hauptversammlung, hängen doch die Geschicke des Unternehmens letztlich von den handelnden Personen ab. Mit der Vorbereitung der Vorschläge für die Aufsichtsratswahlen wird dem Nominierungsausschuss eine komplexe Aufgabe zugewiesen. Auch wenn aktuell keine Neubesetzungen anstehen, sollte dieses Gremium mindestens einmal jährlich analysieren, ob die Zusammensetzung des Aufsichtsrats noch den Anforderungen entspricht. Es gilt, die Zusammensetzung so zu steuern, dass nicht nur alle erforderlichen Fähigkeiten und Erfahrungen in ausreichender Anzahl vertreten sind, sondern dass auch bestimmte Mischungsverhältnisse berücksichtigt werden: Höchstzahl nicht unabhängiger Mitglieder, Diversität im Sinne von weiblich/männlich, Verhältnis noch aktiver Manager zu Ex-Managern, Mischung Lebensalter. Diese Anforderungen werden sich durchaus im Zeitablauf ändern, etwa durch neue gesetzliche Vorgaben oder Empfehlungen, ebenso durch neue Anforderungen, die sich aus dem Unternehmen selbst ergeben. Oder es werden z.B. aus Effizienzprüfungen Defizite in der Aufsichtsratsarbeit sichtbar, die in der gegenwärtigen Zusammensetzung nicht mit hinreichender Sicherheit in angemessener Zeit zu überwinden sind, etwa durch fehlendes Engagement, eingeschränkte zeitliche Verfügbarkeit oder auch zu geringe Qualifikation einzelner Mitglieder.

Der Aufsichtsrat und zuvor sein Nominierungsausschuss stehen somit bei der Entwicklung von Vorschlägen für die Aufsichtsratswahlen vor einer höchst anspruchsvollen Optimierungsaufgabe unter einer Vielzahl von Nebenbedingungen, die sich überdies laufend ändern. Selbst wenn der Nominierungsausschuss mit Gewissenhaftigkeit jährlich die Zusammensetzung des Aufsichtsrats überprüft und Empfehlungen zur Anpassung erarbeitet, sind ihm bei Verbesserungsvorschlägen an die Hauptversammlung die Hände gebunden, wenn alle Amtsperioden über den Termin der nächsten Hauptversammlung hinausreichen, im extremen Fall ja zwei (bisher vier) Jahre, sofern alle Mandate gleichzeitig auslaufen. Auch ein „staggered board“ ist in dieser Hinsicht wenig hilfreich, wenn zunächst die Mandate von solchen Aufsichtsratsmitgliedern auslaufen, die gar nicht ersetzt werden sollen.

Um die notwendige Flexibilität für die stete Optimierung der Besetzung zu ermöglichen, sollten die Unternehmen von der Möglichkeit Gebrauch machen, kürzere Mandatsperioden zu wählen als die bisherigen maximal fünf bzw. künftig wohl drei Jahre. So wie die Vorstände vom Aufsichtsrat auch während ihrer Vertragslaufzeit freigestellt werden können, so sollte im Aufsichtsrat selbst ebenfalls diese Flexibilität zur kurzfristigen Neubesetzung bestehen. Entweder vereinbaren die Aufsichtsräte unter sich, dass sie auf Empfehlung des Nominierungsausschusses bei mehrjährigen Amtsperioden zur vorzeitigen Niederlegung bereit sind. Besser noch: Man geht sofort auf einjährige Amtsperioden, wie es z.B. in den nordeuropäischen Ländern fast durchweg der Fall ist. Dies führt konsequenterweise dazu, dass die Zusammensetzung des Gremiums jährlich überprüft, zumindest im gesamten Aufsichtsrat, vielleicht sogar in der Hauptversammlung erörtert wird und angepasst werden kann. Überhaupt sind die einschlägigen Regelungen in den nordischen Ländern konsequent: Die Aufsichtsratsmitglieder sind hier gar nicht im Nominierungsausschuss vertreten. Dieser wird unmittelbar von der Hauptversammlung gewählt. So sind seine Mitglieder unabhängig und frei von Interessenkonflikten.

Die Empfehlung des neuen Kodexentwurfs zur Begrenzung der Amtsperioden auf höchstens drei Jahre zielt zwar in die richtige Richtung, weil dies mehr Flexibilität gewährleistet, ist aber letztlich halbherzig. Sie folgt auch nicht der internationalen Best Practice, sondern allenfalls dem Durchschnitt.